Amoebe

Die Amöbe

(Amoeba proteus):

ein Einzeller mit Scheinfüßchen


Domäne Eukaryota
(Lebewesen mit echten Zellkernen)

Supergruppe oder Stamm Amoebozoa
(Einzeller von amöboider Gestalt)

Klasse Tubulinea
(nackte oder beschalte amöboide Einzeller)

Ordnung Tubulinida
(unbeschalte amöboide Einzeller)

Familie Amoebidae
(nackte Amöben im engeren Sinne)

Amoebe

Die typische Amöbe gibt es eigentlich gar nicht – Probleme der Systematiker

Bei den Amöben oder Wechseltierchen [griech. amoibe = die Wechselhafte] handelt es sich um durchaus unterschiedlich gebaute, kleine, meist nur Bruchteile von Millimetern lange, im Meer oder Süßwasser und im feuchten Boden lebende, unbegeißelte, einzellige Lebewesen, die sich von anderen Einzellern vor allem dadurch abheben, dass sie ihre äußere Körperform durch ständige Neuausbildung von Plasmafortsätzen laufend ändern. Einige Amöben leben auch als Parasiten in Vielzellern. So wird die Amöbenruhr, eine unangenehme Durchfallerkrankung des Menschen, von einem Wechseltierchen namens Entamoeba histolytica hervorgerufen. Entdeckt wurden die winzigen Amöben erstmals 1757 vom deutschen Miniaturmaler und Insektenforscher August Johann Rösel von Rosenhof. Ihren wissenschaftlichen Namen erhielten sie jedoch erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts durch den französischen Naturforscher Jean Baptiste Bory de Saint-Vincent. Bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts, bevor die Systematiker wieder wie im 19. Jahrhundert ein Reich für die Einzeller mit echtem Zellkern eingeführt hatten, wurden die Amöben zu den einzelligen Tieren (Protozoen) gerechnet, also dem Tierreich zugeordnet. Danach stellte man sie innerhalb der Domäne der Eukaryoten meist in ein eigenes Reich der Lebewesen neben die drei anderen Reiche der Tiere, Pflanzen und Pilze, nämlich ins Reich der Protoctista (vormals Protista). Aktuell hat sich die systematische Einteilung wiederum gewandelt: Die Amöben werden nun einer der sechs "Supergruppen" der Eukaryoten, nämlich den Amoebozoa zugerechnet. Und innerhalb dieser Kategorie gehören sie zur Gruppe der Tubulinea, zu denen amöboid bewegliche Einzeller zählen, die entweder "nackt" oder beschalt sein können. Ansonsten sind sich die Forscher heute ziemlich sicher, dass sich amöbenartige Zellformen ganz unabhängig voneinander in den verschiedensten systematischen Gruppen der einzelligen Lebewelt entwickelt haben, weswegen etliche Einzeller, die traditionell als "Amöben" bezeichnet werden, gar nicht näher miteinander verwandt sind. [Ja ja, die lieben Systematiker machen es einem nicht leicht: In jüngster Zeit krempeln sie mit ihren ausgefeilten DNA-Sequenzanalysen manche althergebrachte, vertraute Vorstellung von Verwandtschaftsverhältnissen um!] Sogar im menschlichen Körper gibt es amöboid bewegliche Zelltypen, etwa die Phagocyten des menschlichen Immunsystems, die in den Zwischenzellräumen der Gewebe umherpatrouillieren, um Krankheitserreger aufzuspüren und zu verspeisen.

Die Merkmale eines Wurzelfüßers

"Wechseltierchen" werden die hier betrachteten Einzeller auf Deutsch auch oft genannt, weil ihnen eine feste Körperform fehlt. Wurzelfüßer oder wissenschaftlich Rhizopoda hießen sie in vielen veralteten Lehrbüchern des 19. und 20. Jahrhunderts, weil es bei ihnen angeblich sehr oft zu wurzelähnlichen Ausstülpungen des Plasmas kommt. Solche Plasmafortsätze nennt man "Scheinfüßchen" oder Pseudopodien. [Als ob Einzeller Füße haben könnten!] Wurzelförmig sind die Pseudopodien allerdings eher selten. Meist sehen sie lappenartig, finger- oder strahlenförmig aus. Jedenfalls erfolgt über die Scheinfüßchen – wie der Name schon sagt – die Fortbewegung, aber auch die Nahrungsaufnahme. Die Pseudopodien bilden sich an beliebigen Stellen am Zellkörper aus; sie können in alle möglichen Richtungen ausgestreckt, aber auch wieder eingezogen werden. Sehen sie lappenartig wie bei den Amöben aus, nennt man sie Lobopodien. Obwohl die Wechseltierchen ständig ihre Form ändern, lässt sich bei ihnen dennoch oft eine Art "Vorderende", das in die Bewegungsrichtung weist, von einem "Hinterende", dem Uroid, unterscheiden.

Die Fortpflanzung erfolgt ungeschlechtlich durch Zweiteilung, wobei nach der Teilung des Zellkerns der Zellleib einfach in der Mitte durchgeschnürt wird. Einige Arten sind aber auch zu einer Vielfachteilung fähig, bei der sich zunächst etliche Zellkerne innerhalb einer einzigen Zelle bilden. Diese vielkernige Zelle zerfällt dann wenig später in viele einkernige Einzelzellen. Um ungünstige Umweltbedingungen, z.B. Trockenheit, zu überstehen, runden sich etliche Amöben ab und schließen sich in eine Cyste, eine widerstandsfähige Kapsel, als Dauerform ein. Innerhalb einer solchen Cyste erfolgt meist auch die Vielfachteilung. Nachdem sich jeder der vielen Tochterkerne mit einer Portion Plasma umgeben hat, bricht die Cystenhülle auf, und zahlreiche kleine Tochteramöben kommen zum Vorschein.


Amoebe. Quelle: biodidac.


Viele verschieden gebaute Amöben – ältere und neuere Versuche einer Systematisierung

Früher fasste man im Unterstamm Sarcodina nach morphologischen Kriterien eine Fülle unterschiedlich gebauter Arten zusammen, darunter auch solche, die wenig Ähnlichkeit mit einer typischen Amöbe haben. So stellte man neben die nackten Amöben innerhalb der Klasse der Lobosea auch einige Formen, die Schalen aus organischem und anorganischem Material ausbilden, aus denen sie ihre Scheinfüßchen durch eine Öffnung hervorstrecken können. Hierzu gehört als bekanntester Vertreter das in Moortümpeln vorkommende Uhrglastierchen Arcella vulgaris. Diese beschalten Amöben vereinigte man in älteren Lehrbüchern der Protozoologie innerhalb der Unterklasse der Testacea. Heute ist man eher geneigt, sie innerhalb der Gruppe der Tubulinea in die Ordnung der Arcellinida zu stellen. Doch damit nicht genug: Innerhalb der Überklasse Actinopoda wurden früher diejenigen Einzeller aufgelistet, die anstelle lappenförmiger Pseudopodien nadelförmige Axopodien (Achsenfüßchen) nach außen richten. Diese Formen rechnet man heute nicht einmal mehr zu den Amoebozoa, sondern hat für sie eine eigene "Supergruppe" unter den Eukaryoten eingerichtet: die Rhizaria. Zu ihnen gehören die traditionell als Radiolarien (Strahlentierchen) und Heliozoen (Sonnentierchen) bezeichneten Formen. Ihre schmaleren, strahlenförmig ausgerichteten Pseudopodien erlangen in ihrem Inneren durch Bündel von winzigen Eiweißröhren, so genannte Mikrotubuli, Stabilität. Die Axopodien dienen als Schwebefortsätze zum Schweben im Wasser und werden gleichzeitig zum Beutefang eingesetzt. Die Meeresbewohner unter diesen Einzellern bilden oft zusätzlich kunstvoll gestaltete Skelette aus Kieselsäure. Um all diese Formen, so interessant sie auch sind, soll es hier jedoch nicht gehen. Wir wollen uns vor allem auf Amoeba proteus konzentrieren, eine der im Süßwasser am häufigsten vorkommenden Arten, die nach dem greisen griechischen Meergott Proteus benannt wurde, der für seine Verwandlungsfähigkeit bekannt war.


Unterstamm Sarcodina: verschiedene Pseudopodien.


Amoeba proteus – die Lehrbuch-Amöbe im mikroskopischen Bild

Amoeba proteus ist, wie bereits erwähnt, ein Einzeller, und zwar ein relativ großer im Vergleich zu vielen anderen Protisten. Der gesamte Organismus besteht nur aus einer einzigen, etwa 0,5 mm langen, unregelmäßig geformten Zelle, die sämtliche Lebensaufgaben zu bewältigen hat. Amöben sind, wenn man genau hinsieht, also schon mit dem bloßen Auge erkennbar. Will man sie näher studieren, empfiehlt es sich, sie in einem Wassertropfen unter einem Lichtmikroskop zu betrachten. Dabei ergibt sich jedoch ein Problem: Wegen ihrer Größe können sich Amöben in dem recht kleinen Wassertropfen zwischen Objektträger und Deckglas kaum richtig bewegen. Um mehr Raum für sie zu schaffen, sollte man das Deckglas mit kleinen Füßchen aus Plastillin auf den Objektträger stellen. Doch auch wenn alles optimal vorbereitet wurde, muss man mit der Betrachtung noch etwas warten. Da die Amöben bei den vielen Erschütterungen Kugelform angenommen haben, dauert es etwas, bis sie sich wieder normal zu bewegen beginnen. Dann aber steht der Beobachtung nichts mehr im Wege. [*Juhu!* Unsere Amöbe beginnt, auf der Unterseite der Oberflächenhaut des Wassers herumzukriechen und bewegt sich jetzt auch an der Unterseite des Deckgläschens entlang!]

Wie bei allen anderen Zellen ist auch bei der Amöbe das Innere von einer schleimigen, lebenden Substanz, dem Cytoplasma, ausgefüllt. Dabei lässt sich deutlich ein inneres, körnigeres, dünnflüssigeres, gelartiges Endoplasma, in dem sich viele kleine Bläschen befinden, von einem äußeren, zähflüssigeren, klaren, im Lichtmikroskop "leer" aussehenden Ektoplasma von solartiger Beschaffenheit unterscheiden. Die vielen Bläschen, Körnchen und Kristalle im Endoplasma unterscheiden sich nach Form und Größe und auch stofflich voneinander. Zum Teil handelt es sich um Nahrungsvakuolen, in denen aufgenommene Nahrungspartikel verdaut werden, zum Teil um Vakuolen, in denen lebende Bakterien hausen (über deren wohl endosymbiontische Funktion noch nicht sehr viel bekannt ist), zum Teil um Speicherstoffe (Fette, Glykogen, kristallisiertes Protein), zum Teil um Abfallstoffe, zum Teil um Zellorganellen wie die Mitochondrien, die kontraktile Vakuole oder den Zellkern (Nucleus).


Amoebe. Quelle: Zoologisches Institut der TU Darmstadt.


Der Plasmastrom innerhalb der Amöbe

Dass es sich beim Plasma um eine lebende Substanz handelt, erkennt man deutlich an den Plasmaströmungen im Inneren der Amöbe, durch die sämtliche Einschlusskörper mitbewegt werden. Besonders augenfällig wird die Plasmabewegung an den Stellen, an denen sich neue Pseudopodien ausbilden. An diesen Stellen wölbt sich zunächst das klare Ektoplasma zu einer kleinen Kappe vor, wonach relativ schnell das körnige Endoplasma in die Ausbuchtung hineinfließt und das Lobopodium vergrößern hilft. An der Spitze des Pseudopodiums angekommen, strömt das Endoplasma – ähnlich wie bei einem Springbrunnen – nach den Seiten, um dort in den Gelzustand überzugehen. In dem Maße, in dem immer mehr Plasma in das sich bildende Lobopodium hineinströmt, schrumpfen die Pseudopodien am gegenüberliegenden Ende, dem Uroid, was man daran erkennt, dass sich dort Runzeln an der Zelloberfläche bilden. Hier verwandelt sich das gelartige Ektoplasma in solartiges Endoplasma und strömt wieder nach vorn. Ekto- und Endoplasma wandeln sich bei diesen Prozessen also laufend ineinander um. Für die Plasmaströmung selbst sind winzige Bündel von kontraktilen Actin- und Myosin-Filamenten verantwortlich, die in großer Zahl überall im Plasma liegen – also Proteine, die auch in den Muskeln der höheren Tiere einschließlich des Menschen vorkommen. Vor allem an der Grenze zwischen Ekto- und Endoplasma bilden die Actin- und Myosin-Filamente ein dichtes faseriges Netzwerk. Dieses lässt zwar die kleinteiligen, unsichtbaren Komponenten des homogenen Grundplasmas durch, hält aber die sich im Endoplasma befindlichen größeren Einschlusskörper zurück, weshalb das Ektoplasma klar und strukturlos erscheint, das in die Scheinfüßchen einströmende Endoplasma dagegen körnig wirkt. Nach der Druckflusshypothese wird der Plasmastrom überwiegend durch einen Druck angetrieben, der einerseits vom Uroid auszugehen scheint, wo sich besonders viele kontraktile Filamente befinden, der andererseits aber auch in der Mittelregion des Amöbenkörpers erzeugt wird. Jedenfalls gibt es bestimmte Kontraktionszonen im Actin-Myosin-Netzwerk, die das Plasma in die Bereiche geringeren Drucks befördern. Bei Dictyostelium discoideum, einer "sozialen Amöbe", die zu den so genannten Schleimpilzen (Myxogastria) gehört, wurde nachgewiesen, dass für die Fortbewegung hauptsächlich eine Polymerisation von Actin-Filamenten am "Vorderende" der Amöbe verantwortlich ist. Demzufolge würde die Zellmembran am "Vorderende" voran geschoben und der hintere Teil der Amöbe dann nachfließen, wenn es dort zu einer Depolymerisation der Filamente gekommen ist. Für all diese aktiven Bewegungsvorgänge verbraucht die Zelle Energie in Form von ATP.


Amoebe. Quelle: biodidac.


Der Zellkern und die kontraktile Vakuole

Im Endoplasma liegt als ovales oder linsenförmiges Gebilde auch der Zellkern (Nucleus). Er enthält die Erbinformation der Amöbe in Form von Desoxyribonucleinsäure (DNA). Wenn man die Nucleotid-Bausteine aller im Zellkern liegenden DNA-Moleküle zusammenzählt, kommt man bei Amoeba proteus auf insgesamt 290 Milliarden Basenpaare. (Dies ist eine erstaunlich hohe Zahl. Im Vergleich dazu besteht das menschliche Genom nur aus 2,9 Milliarden Basenpaaren.) Jedoch ist der Kern der Amöbe im Lichtmikroskop meist sehr schlecht zu sehen.

Viel besser dagegen erkennt man im Endoplasma neben den kleineren Körnchen ein helleres, kreisrundes Bläschen von etwa 50 Mikrometer Durchmesser, das allmählich größer wird, um dann plötzlich wieder zu verschwinden. Es handelt sich um die so genannte kontraktile Vakuole, ein pulsierendes Bläschen, in dem sich periodisch überschüssiges Wasser anreichert, das in den Amöbenkörper eingedrungen ist. Winzige Blasen und Röhren mit einem Durchmesser von ca. 30 bis 50 Nanometern und größere Vesikel mit einem Durchmesser von 120 bis 200 Nanometern umgeben die kontraktile Vakuole in Form einer 0,5 bis 2 Mikrometer dicken Schicht. Diese Zuleitungskanäle, die zur Energieversorgung von vielen Mitochondrien begleitet werden, sammeln zunächst das Wasser aus dem Plasma, um es dann in die große Vakuole abzugeben, die sich in regelmäßigen Abständen, in der Regel alle 5 Minuten, leert. Bei Amöben hat das pulsierende Bläschen keinen festen Platz im Plasma, sondern bewegt sich wie die anderen Einschlusskörper mit dem Plasmastrom mit. Daher kann das Wasser an jeder beliebigen Stelle der Amöbenmembran nach außen abgegeben werden. Bevorzugt geschieht dies jedoch am Uroid. Die regelmäßige, ATP-abhängige Entleerung der Vakuole ist für einen im Süßwasser lebenden Organismus dringend notwendig, denn wegen der höheren Konzentration an gelösten Stoffen im Plasma, die im Vergleich zum Außenmedium für eine insgesamt niedrigere Wasserkonzentration im Zellinneren sorgt, dringt infolge der Gesetze von Diffusion und Osmose laufend Wasser aus dem weniger ionenhaltigen (und damit einen höheren Wassergehalt aufweisenden) Süßwasser in die Amöbe ein. [Wasser bewegt sich immer bevorzugt aus einem Medium mit höherem Wasseranteil in ein solches mit niedrigerem Wassergehalt, hier also in die arme Amöbe hinein. Ohne das regelmäßige Auspumpen des Wassers würde die Zelle platzen! *Anschwell!* *Plop!* *Auslauf!* Aber zum Glück tut sie's nicht. Dem pulsierenden Bläschen sei Dank!] Die kontraktile Vakuole dient also der Osmoregulation.

Besonderheiten der Zellmembran

Gegen die Außenwelt ist das Plasma der Amöbe durch eine Zellmembran abgegrenzt. Diese äußere Hülle, die wie alle Biomembranen aus einer Doppellipidschicht mit integrierten Proteinen besteht, kann vom Plasma als Grenzschicht überall und zu jeder Zeit neu ausgebildet werden. Zerschneidet man eine Amöbe, lässt das Plasma an den Schnittflächen sofort wieder eine neue Zellmembran entstehen, und dies auch dann, wenn dem Teilstück die eigentliche Steuerzentrale der Zelle, nämlich der Zellkern, fehlt. Innen- und Außenseite der Zellmembran unterscheiden sich: Auf der Außenseite sitzen in regelmäßigen Abständen fransenartige Fortsätze aus sauren Mucopolysacchariden, die eine Glykokalyx oder einen "surface coat" bilden. Mit ihren negativen Ladungen binden diese Fortsätze positiv geladene Ionen und reichern diese an der Zelloberfläche an, so dass das Eindringen größerer Wassermengen in den Zellkörper verhindert wird. Teilweise haben diese Fortsätze sogar Rezeptor-Funktion; sie dienen also auch zum Anheften von Nahrungsteilchen, die in das Zellinnere aufgenommen werden sollen.

An der Oberfläche ihrer Zellmembran erzeugen die Amöben auch bestimmte Signalstoffe, so genannte Kairomone, die ins Wasser abgegeben werden und die Amöben offenbar davor schützen, von allzu gefräßigen Artgenossen verspeist zu werden. Einige andere Einzeller, die den Amöben als Beute dienen könnten, wie etwa das Wimperntierchen Euplotes, sind jedoch ebenfalls in der Lage, diese Kairomone zu wittern. Sie schwimmen davon, wenn sich ihnen eine Amöbe nähert.

Der kleine Räuber verspeist andere Einzeller

Die Amöbe lebt meist in Pfützen, am Grund von Tümpeln und Seen und gelegentlich auch in feuchten Böden. Besonders häufig ist sie in pflanzenreichen stehenden Gewässern, vor allem in fauligen, bakterienhaltigen Teichen und Weihern, anzutreffen, wo sie auf faulenden Pflanzenstängeln und Blättern herumkriecht. Im Grunde ist sie ein kleiner Räuber, der Beuteorganismen verspeist, denn sie ernährt sich von anderen, kleineren Zellen, z.B. Bakterien, winzigen Algen, Arcellen oder Pantoffeltierchen, die sie sich einverleibt und im Zellinneren verdaut. Amoeba proteus soll besonders auf das häufig im Süßwasser vorkommende, birnenförmige Wimperntierchen Tetrahymena scharf sein. Dabei nimmt die Amöbe ihre Nahrung auf, indem sie die Beute mit ihren lappenartigen Scheinfüßchen (Lobopodien) langsam umfließt, bis diese auf dem Untergrund in einer Art Höhle eingeschlossen ist. Anschließend müssen noch die Ränder der Zellausläufer auf dem Untergrund aufeinander zu bewegt werden, bis diese zusammentreffen und verschmelzen. Nun ist die Beute vollständig umflossen, und es hat sich eine Nahrungsvakuole, ein so genanntes Phagosom, um sie herum gebildet. Den Anreiz für die Amöbe, ihre Nahrung zu umfließen, bieten übrigens die Beuteorganismen selbst: Es sind Berührungsreize, auf die hin es zu einer verstärkten Ausbildung von Pseudopodien in Richtung Beute kommt.


Amoebe: Phagocytose. Quelle: biodidac.


Phagocytose, Pinocytose und Exocytose

Die beschriebene Form der Aufnahme größerer Nahrungsbrocken ins Zellinnere nennt der Fachmann Phagocytose. Volkstümlich könnte man auch von "Zellfressen" sprechen. Es handelt sich dabei um eine Sonderform der Endocytose. (Unter diesem Begriff fasst man all jene Formen der Stoffaufnahme aus dem Umgebungsmedium in die Zelle zusammen, die innerhalb von membranumhüllten Bläschen stattfinden.) Nachdem sich die Beute zusammen mit einem Teil des Außenmediums im Inneren der Nahrungsvakuole befindet, kann sie nicht mehr entkommen. Auch heftigste Bewegungen können sie aus ihrem intrazellulären Gefängnis nicht mehr befreien. Stattdessen wird sie in der Nahrungsvakuole bei lebendigem Leibe verdaut [Iiih! Wie schrecklich!], denn so genannte Lysosomen, besondere, vom Golgi-Apparat erzeugte Bläschen, die im Zellinneren der Amöbe bereitgehalten werden und Verdauungsenzyme enthalten, verschmelzen mit der Membran des Phagosoms. Die auf diese Weise in die Nahrungsvakuole eingebrachten Enzyme, darunter saure Phosphatasen, beginnen sofort, die aufgenommene Nahrung zu zersetzen. Man sollte die Nahrungsvakuole ab diesem Zeitpunkt daher besser als Verdauungsvakuole bezeichnen. Forscher haben beobachtet, dass eine einzige Amöbe sich innerhalb weniger Stunden nicht weniger als 70 Wimperntierchen einverleibt hat! [Mahlzeit!] Die enzymatisch zerlegten, von der Zelle verwertbaren Nahrungsbestandteile wandern aus der Verdauungsvakuole ins Plasma. Hier werden sie im Rahmen der Zellatmung mit Hilfe des über die gesamte Zelloberfläche aufgenommenen Sauerstoffs oxidiert, wodurch die Amöbe die für ihre Lebensprozesse nötige Energie gewinnt. Am Ende bleiben nur unverdauliche Reste im Bläschen übrig. Es wird nun als Ausscheidungsvakuole zur Zellmembran transportiert, verschmilzt mit dieser und gibt seinen Inhalt nach außen ab. Diesen Vorgang der Exocytose von unverdaulichem Material nennt man auch Defäkation. [Ex und hopp mit den Nahrungsresten!] Selbst ziemlich sperrige, stachelförmige Gebilde, etwa längliche Algenfragmente, können von der Amöbe umflossen, phagocytiert und wieder ausgeschieden werden.

Einige der durch Phagocytose aufgenommenen Zellen können sich allerdings auf elegante Weise dem Verdauungsprozess innerhalb der Nahrungsvakuole entziehen. Vor einigen Jahren entdeckten Mikrobiologen der Universität Wien ein Bakterium namens Amoebophilus, das nicht nur in der Lage ist, in Amöben zu überleben, sondern sich in ihnen sogar höchst wohl zu fühlen scheint. Zusammen mit Forschern der ETH Zürich fanden sie im Jahr 2017 heraus, warum dies möglich ist: Diese Bakterien sind in der Lage, gegen die Membran der Verdauungsvakuole, in der sie stecken, Mini-Dolche abzuschießen, so dass die Vakuolenmembran durchlöchert und zerstört wird. Dabei helfen offenbar bestimmte Enzyme mit, welche die Membranproteine angreifen. Die frei gewordenen und der Verdauung entronnenen Bakterien leben in der Amöbe zwischen den anderen Zellorganellen munter weiter und können sich dort sogar vermehren. Doch ist eine solche Strategie eher die Ausnahme. Die meisten anderen Beuteorganismen werden in den Nahrungsvakuolen verdaut.

Die Phagocytose ist aber nicht die einzige Möglichkeit für die Amöbe, aus ihrer Umgebung Nahrung aufzunehmen. Sie vermag auch Flüssigkeiten und Ionen über die so genannte Pinocytose zu importieren, weshalb man umgangssprachlich auch von "Zelltrinken" sprechen kann. Unter Mitwirkung membranassoziierter, netzwerkartig angeordneter Mikrofilamente stülpen sich an einer Stelle des Zellleibs zwei oder mehr dicht nebeneinander liegende Pseudopodien gleichzeitig vor und bilden einen Pinocytosekanal aus. Über diesen Kanal kann dann ein Flüssigkeitstropfen nach innen gelangen, der als Bläschen (Pinosom oder Endosom) ins Zellinnere abgeschnürt wird. Diese Aufnahme von Flüssigkeiten und darin gelösten Teilchen ist mit der aktiven Fortbewegung der Amöbe verbunden und erfolgt permanent überwiegend in der Uroid-Region, also am "Hinterende" der Zelle, während die Amöbe vorwärtskriecht. In Laborexperimenten kann man die Bildung der schlauchförmigen Pinocytosekanäle aber auch an anderer Stelle auslösen.

Durch den ständigen Import von Membranbestandteilen reduziert sich die Zelloberfläche pro Minute um 0,15 bis 0,2%. Dieser Verlust wird dadurch wieder ausgeglichen, dass am "Vorderende" der Amöbe durch Exocytose das Membranmaterial der Ausscheidungsbläschen wieder in die Zellmembran integriert wird. Der Fachmann spricht im Zusammenhang mit diesem ständigen Verlust und Erneuern von Bereichen der Zellmembran auch von einem "Membran-Turnover". Einige Forscher nehmen an, dass auch spezielle, von mehreren Hundert Dictyosomen des Golgi-Apparats erzeugte Exocytosevakuolen am Wiederaufbau der reduzierten Zelloberfläche beteiligt sind. Diese Bläschen, deren Membran vom Aufbau her der Zellmembran stark ähnelt, sind unterschiedlich groß (Durchmesser: ca. 100 Nanometer bis 1 Mikrometer); sie fusionieren offenbar kurz nach ihrer Bildung mit der Zellmembran und sollen sogar die Hauptmenge aller Vakuolen im Inneren der Amöbe ausmachen. Allerdings ist die genaue Herkunft vieler im elektronenmikroskopischen Bild sichtbarer Vesikel meist nicht eindeutig zu klären.

Durch Diffusion kann die Amöbe ebenfalls einige Stoffe aus dem Umgebungsmedium in die Zelle aufnehmen, doch bleibt diese Importmöglichkeit auf bestimmte Moleküle beschränkt, die die Zellmembran samt Glykokalyx mehr oder weniger ungehindert passieren können.

Reaktionen auf Umweltreize

Amöben reagieren auf die unterschiedlichsten Umweltreize. Fällt Licht auf sie, bewegen sie sich von der Lichtquelle fort. Dieses Verhalten nennt man negativ phototaktisch. Am empfindlichsten scheinen sie gegenüber grünem Licht zu sein. Auch auf chemische und Berührungsreize sprechen sie an. Wird eine Amöbe z.B. von einem Pantoffeltierchen berührt, streckt sie an der Berührungsstelle ihre Pseudopodien in Richtung Paramecium aus. Bei Erschütterungen aber zieht sie diese Pseudopodien ein und nimmt eine eher kugelige Gestalt an.

Sollte das Gewässer, in dem Amöben leben, einmal austrocknen, können sich viele von ihnen abkugeln und eine kleine hartschalige Kapsel, die Cyste, um sich herum ausbilden, um in diesem eingekapselten Stadium zu überleben, bis wieder genügend Wasser vorhanden ist. Bei Amoeba proteus ist ein solches Cystenstadium allerdings kaum beschrieben worden, wohl aber bei etlichen anderen Amöben-Arten.

Vermehrung durch Zweiteilung – ganz ohne Sex

Die Vermehrung der Amöben erfolgt ungeschlechtlich üblicherweise durch Teilung in zwei gleich große Tochterzellen. Geschlechtliche Vorgänge konnten bei ihnen bisher nie zweifelsfrei nachgewiesen werden. [Die armen Amöben! Sie sind dazu verdammt, ein Leben ganz ohne Sex zu führen.] Zu Beginn der Teilung werden die weit ausladenden Pseudopodien eingezogen, die Zelle kugelt sich ab (wobei an der Zelloberfläche noch zahlreiche kurze buckelförmige Pseudopodien erkennbar sind), das Plasma verliert seine Durchsichtigkeit, und die kontraktile Vakuole verschwindet. Der eigentlichen Zellteilung muss aber in jedem Fall noch eine Kernteilung vorausgehen.

Die ersten Schritte der Mitose werden im abgekugelten Zustand vollzogen. Die Verteilung des genetischen Materials bereitet den Amöben aber wegen der großen, unübersichtlichen Anzahl an Chromosomen einige Schwierigkeiten. Bis zu 600 Chromosomen wollen einige Forscher bei Amoeba proteus gezählt haben! Daher gibt es bei Amöben auch nicht die vertraute, in Lehrbüchern immer wieder reproduzierte "Standard-Mitose". Vielmehr ist bei ihnen der Spindelapparat, der die Chromosomen mit Hilfe von winzigen Spindelfasern zu den Zellpolen zieht, nicht von Anfang an als eine einzige Kernteilungsspindel ausgebildet. Ganz im Gegenteil: Zunächst liegen, wie schon Franz Doflein, einer der Pioniere der deutschen Protozoenforschung, beobachtet hat, alle Spindelfasern mehr oder weniger parallel und im rechten Winkel zur Äquatorialebene zwischen zwei breiten Polkappen. Währenddessen werden auch die vielen Chromosomen sichtbar, die sich in der Metaphase zur Äquatorialplatte anordnen. Im Anschluss daran neigen sich die Enden einiger benachbarter Spindelfasern gegeneinander, so dass man den Eindruck hat, als lägen für eine Weile mehrere Spindeln nebeneinander und es würden an beiden Enden mehrere Zellpole vorhanden sein. Erst in der Anaphase vereinigen sich die Spindelfasern zu einer großen Kernteilungsspindel, mit deren Hilfe die vielen Tochterchromosomen zu den beiden Zellpolen gezogen werden.


Amoeba proteus: Ausrichtung der Spindelfasern in der Metaphase. Quelle: Franz Doflein: Lehrbuch der Protozoenkunde.


Interessant ist auch, dass bei vielen Amöben die Kernhülle nicht wie sonst üblich aufgelöst wird. Stattdessen streckt sich der Kern während der Teilung hantelfömig in die Länge. Die entstandene Kernteilungsachse bestimmt bei den einkernigen Arten wie Amoeba proteus die Teilungsrichtung für die Durchschnürung des Zellleibes: Die Teilungsebene steht nämlich im Normalfall senkrecht zur Kernteilungsachse. Doch erst wenn die Telophase der Mitose erreicht ist, streckt sich auch der Zellleib der Amöbe in die Länge, um sich anschließend in der Mitte durchzuschnüren. Pseudopodien an den entgegengesetzten Enden der entstehenden Tochterzellen ziehen die Teilungsprodukte schließlich auseinander. Selbstverständlich haben sich zuvor auch alle anderen Zellorganellen verdoppelt, denn diese müssen beim Teilungsvorgang gleichmäßig auf die Tochterzellen verteilt werden, damit die zwei entstehenden kleinen Amöben zu sämtlichen lebenserhaltenden Prozessen fähig sind, wie sie zuvor die Mutterzelle vollführen konnte. Der beschriebene Teilungsvorgang, der bei normalen Temperaturen etwa ein halbe Stunde dauert und bei sehr niedrigen Temperaturen sogar mehrere Stunden benötigen kann, ist am lebenden Objekt allerdings nur recht selten zu beobachten. Die entstandenen Tochterzellen nehmen eine Weile Nahrung zu sich, wachsen heran und teilen sich nach etwa drei Tagen erneut, wenn sie eine bestimmte Größe erreicht haben. Da die Bestandteile der ursprünglichen Zelle in den Tochterzellen weiterleben, sind die Amöben – wie andere Einzeller auch – potentiell unsterblich.


Amoebe: Teilung.


Eine zweite Möglichkeit, sich ungeschlechtlich zu vermehren, ist die Vielfachteilung. Diese konnte jedoch bisher bei Amoeba proteus noch nicht beobachtet werden. Bei einigen anderen Amöbenarten kommt sie allerdings neben der Zweiteilung vor. Insbesondere, wenn die Lebensbedingungen durch negative Umwelteinflüsse ungünstig geworden sind oder das Gewässer auszutrocknen droht, wird vom Plasma dieser Amöben außerhalb der Zellmembran eine doppelwandige oder auch dreilagige, die Zelle schützende Cystenhülle abgeschieden. Die Cysten können vom Wind leicht verbreitet werden, so dass die Chancen für die encystierten Amöben steigen, in eine günstigere Umgebung zu gelangen. Währenddessen teilt sich der Zellkern in viele Tochterkerne, die sich mit einer Portion Plasma umgeben, so dass aus der ursprünglichen Zelle im Innern der Cyste zahlreiche Pseudopodiosporen entstehen. Haben sich die Umweltbedingungen verbessert, kann die Cystenhülle aufbrechen, und die winzigen Pseudopodiosporen werden in die neue Umgebung entlassen. Nach der Ausbildung von Scheinfüßchen können diese dann als Tochter-Amöben ganz normal weiterexistieren. Ja, nach mehrtägiger Nahrungsaufnahme sind sie bereits wieder zur ursprünglichen Größe herangewachsen – bereit, sich nun durch normale Zweiteilung zu vermehren.

Igittigitt! Amöben in der menschlichen Mundhöhle, im Darm, in der Lunge, im Gehirn und im Auge

Neben Amoeba proteus gibt es noch ein Unzahl weiterer Wechseltierchen. Eine Amöbe mit der wissenschaftlichen Bezeichnung Entamoeba gingivalis lebt sogar in der menschlichen Mundhöhle. Angeblich sollen über 50 % aller erwachsenen Menschen befallen sein. Dagegen ist die Befallsrate bei Kindern relativ gering. [Diese Amöbe wird doch nicht etwa durch's Küssen übertragen?] Sie gilt oftmals als harmloser Mitbewohner in unserem Körper, und viele Mediziner nehmen bis heute an, dass sie sich dort hauptsächlich von den Bakterien des Zahnbelags ernährt. Neuere Studien weisen aber darauf hin, dass diese Amöbe gar nicht so ungefährlich ist, weil sie auch weiße und rote Blutkörperchen verspeist. Selbst im Uterus einiger Frauen hat man Entamoeba gingivalis gefunden, allerdings nur, wenn sich dort die Leibspeise der Amöbe, das Bakterium Actinomyces pyogenes, mit angesiedelt hatte. [Wie solche Amöben, die ja normalerweise die menschliche Mundhöhle besiedeln, wohl dorthin geraten sein mögen…?]

Parasitische Amöben wie Entamoeba histolytica schädigen in der infektiösen "Magna-Form" die Schleimhäute im Darm. Ja, neuerdings wurde entdeckt, dass diese Amöben sogar in der Lage sind, Darmzellen anzuknabbern, was man amöbische Trogocytose nennt. Die Amöben docken dabei an bestimmte Kohlenhydratstrukturen der Membranoberfläche der Zielzelle an. Dann ziehen sie einen Abschnitt ihrer eigenen Zellmembran nach innen und zwingen so der Darmzelle eine blasenartige Ausstülpung auf, die von Entamoeba histolytica dann abgetrennt und aufgenommen wird. In der Folge solcher schädigenden Aktivitäten werden Darmgeschwüre sowie schwere Durchfallerkrankungen wie die Amöbenruhr hervorgerufen. Rund 10 Prozent dieser Amöben gelingt es sogar, ins Blut vorzudringen, wo sie Blutzellen verspeisen und mit dem Blutstrom in andere Gewebe und Organe (z.B. die Leber) transportiert werden, wo sie ihr zerstörerisches Werk fortsetzen und für Abszesse verantwortlich sind.

Eine besondere Bedeutung für den Menschen haben aber auch jene Amöben, die im Trinkwasser in unseren Behausungen anzutreffen sind. So hat man gelegentlich bis zu 300 Amöben in einem Liter Trinkwasser nachgewiesen. [Igitt! Sowas trinken wir manchmal mit?] Diese Amöben sind normalerweise als harmlos einzustufen, auch wenn man sie mit dem Trinkwasser aufnimmt, jedoch können sie gefährlichen bakteriellen Krankheitserregern, den so genannten Legionellen, den Verursachern der "Legionärskrankheit", einer besonders bei immungeschwächten Menschen oft tödlich verlaufenden Lungenentzündung, als Vermehrungsstätte dienen. Um zu überleben, benötigt das Bakterium Legionella pneumophila nämlich Aminosäuren, die im Wasser nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen. Daher nisten sich die Legionellen bevorzugt in Amöben der Gattungen Acanthamoeba, Naegleria, Echinamoeba und Hartmanella ein, nutzen die dort reichlich vorhandenen Aminosäuren und vermehren sich intrazellulär in den Amöbenzellen. In den widerstandsfähigen Cystenhüllen der Amöben können sie sogar die üblichen Desinfektionsmaßnahmen überleben. Ja, in Amöben herangewachsene Legionellen sollen sogar viel resistenter als andere Bakterien gegen die Einwirkung von Chlor sein, das man z.B. in Schwimmbädern in höheren Dosen dem Wasser zur Desinfektion beimengt. Manchmal verirren sich die Legionellen leider auch in menschliche Zellen, und zwar besonders dann, wenn sie in Massen im warmen Duschwasser, in Whirlpools oder in Klimaanlagen vorkommen und innerhalb infizierter Amöben mit der feuchten Einatmungsluft in die Lunge geraten, wo sie in amöboid bewegliche, große weiße Blutkörperchen, die so genannten Makrophagen des Immunsystems, eindringen, sich dort intrazellulär vermehren, dann die alveolären Epithelzellen der Lunge befallen und dort eine schwere Pneumonie hervorrufen, die zum Funktionsverlust des Atmungsorgans führen kann. [Eine ziemlich üble Schützenhilfe, die die Amöben da den Legionellen bieten! Aber erstaunlich, wobei Amöben in der Natur so alles eine Rolle spielen...]

Nicht zu den echten Amöben dagegen gehört Naegleria fowleri, ein amöboid beweglicher einzelliger Geißelträger, der in reißerischen Zeitungsmeldungen oft als "hirnfressende Amöbe" bezeichnet wird. Dieser Einzeller lebt normalerweise von faulenden Substanzen in stehenden Gewässern, vor allem in eutrophierten Seen, konnte aber auch im 30 Grad warmen Wasser von beheizten Schwimmbädern nachgewiesen werden. Menschen, die in belastetem Wasser schwimmen, kann Naegleria in die Nase geraten, entlang des Riechnervs ins Gehirn wandern und dort eine tödliche, eitrige Hirnhautentzündung (die primäre Amöben-Meningoenzephalitis oder Schwimmbad-Amöbose) hervorrufen. Die Symptome treten leider erst drei bis neun Tage nach dem Badevergnügen auf, so dass der Zusammenhang mit einer Amöbeninfektion von den behandelnden Ärzten oft übersehen wird. Da Naegleria gelegentlich im Leitungswasser vorkommt, sollen sich einige Verstorbene auch durch die Verwendung von Nasenduschen infiziert haben. Die Bedingungen, unter denen eine Infektion tödlich verläuft, sind noch nicht ganz geklärt, zumal diese Amöben selbst bei gesunden Menschen im Nasen-Rachen-Raum nachgewiesen werden konnten.

Weniger lebensbedrohlich sind Acanthamoeba-Arten, die eher chronische Beschwerden verursachen, allerdings nicht nur eine granulomatöse Amöben-Enzephalitis, sondern bei Kontaktlinsenträgern im Auge auch eine Entzündung der Bindehaut (Konjunktivitis), der Hornhaut (Keratitis) oder der Regenbogenhaut (Uveitis) hervorrufen können, weil sie in den Aufbewahrungsflüssigkeiten für Kontaktlinsen vorkommen und von dort gelegentlich ins Auge eingebracht werden. Diese Amöben wurden des Öfteren auch im Bodensatz der Umspülbehälter von Zahnarztpraxen nachgewiesen.

Was es nicht alles gibt: von Viren befallene Amöben

Amöben besitzen auch insofern eine Sonderstellung in der Natur, als sie von den größten bisher bekannten Viren befallen werden. Das Mimicking Virus, kurz: Mimivirus, besitzt einen Durchmesser von 400 Nanometern und vermehrt sich in den Zellen von Acanthamoeba polyphaga. Es wurde 1992 in den Acanthamöben eines englischen Kühlwassersystems entdeckt und zunächst für ein Bakterium gehalten, ehe ein französisches Forscherteam im Jahre 2003 erkannte, dass es sich bei den Mimiviren um eine neue Gruppe von Viruspartikeln handelt. Das Erbgut der Mimiviren ist mit 1260 Genen komplexer als das jedes anderen Virus aufgebaut und enthält Erbinformationen, die bisher nur von zellulären Organismen her bekannt sind. Auch aus dem Blickwinkel der modernen Virologie nehmen die Amöben also eine einzigartige Sonderstellung innerhalb der Lebewelt ein.


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Autor: BKry →Fragen? →Anregungen? →Kommentare?E-Mail Me. Aber vorher bitte die Klammern um das @ der E-Mail-Adresse entfernen! Letzte Änderung: 27. April 2023