Biologiepraktikum, Kurs B

Holger Diegel, Platz 18
19.12.1996

Protozoa


Einleitung

Protozoen stellen die einfachste tierische Lebensform dar: Es sind eukaryontische Einzeller, die alle lebenswichtigen Funktionen selbständig ausführen können.
Nicht immer einfach ist die Abgrenzung der Protozoen von pflanzlichen Organismen, wie z.B. bei dem einzelligen Augentierchen Euglena, das sowohl wie eine Pflanze Photosynthese betreiben kann, aber auch wie ein Tier organische Stoffe als Nahrung nutzt.

Man unterscheidet vier Gruppen von Protozoen: Flaggellaten (Geißeltiere), Rhizopoden (Wurzelfüßler), Ciliaten (Wimperntierchen) und Sporozoen (Sporentierchen).
Sporozoen bilden Sporen oder Sporencysten aus, bei den anderen Gruppen erfolgt die Zuordnung aufgrund der Art der Fortbewegung, aber dazu später mehr.

Von medizinischer Bedeutung sind vor allem parasitär lebende Protozoen, die für viele weit verbreitete und gefährlicher Krankheiten verantwortlich sind. Durch Flaggellaten werden z.B. die Schlafkrankheit, die Chagas-Krankheit und Kala-Azar verursacht, durch Rhizopoden die Amöbenruhr und durch Sporozoen Malaria.

Auslöser der Schafkrankheit ist der Flaggellat Trypanosoma brucei, der durch einen Stich der Tsetesfliege (Überträger) in das Blut des Menschen (Wirt) gelangt und sich dort vermehrt. Nach etwa 12 Wochen gelangt der Parasit ins Hirnwasser und von dort in das Zentralnervensystem und verursacht so die typischen Symptome der Schlafkrankheit.

Etwas komplizierter verhält es sich mit Plasmodium, dem Erreger der Malaria. Der Parasit vermehrt sich nicht einfach durch Längsteilung wie Trypanosoma brucei, sondern durchläuft einen Zyklus:
Die Anopholes-Mücke überträgt durch ihren Stich Sporozoiten von Plasmodium in das Blut des Menschen, die von dort aus Leberzellen befallen und sich in ihnen durch Schizogenie ungeschlechtlich vermehren. Die entstehenden Merozoiten befallen Erythrozyten und vermehren sich in ihnen durch eine erneute Schizogenie. Jede Vermehrungswelle der Merozoiten löst beim Menschen heftige Fieberschübe aus (etwa alle 3 Tage). Neben neuen Merozoiten, die wiederum Erythrozyten befallen, entstehen auch geschlechtlich differenzierte Formen: Gamonten.
Bei einem erneutem Mückenstich gelangen die Gamonten in den Darm der Mücke, wo ein männlicher und ein weiblicher Gamont zu einer Zygote verschmelzen.
Aus der Zygote entstehen durch Sporogenie Sporozoiten, die in die Speicheldrüse der Mücke wandern.



Praktikumsversuche

Im Praktikum wurden der Rhizopode Amoeba proteus und der Ciliat Paramecium caudatum lichtmikroskopisch untersucht. Von beiden Protozoen wurden bereits fertiggestellte Feuchtpräparate ausgeteilt, die den Einzellern Bewegungsfreiheit ließen - die Pantoffeltierchen waren jedoch mittels Nickelsulfat-Lösung betäubt.
Von beiden Protozoen wurde eine Übersichtszeichnung angefertigt, von den Amöben zusätzlich noch ein Bewegungsprotokoll.
In einem weiteren Versuch wurden nicht betäubte Paramecien mit gefärbter Hefe gefüttert (Farbstoff: Kongorot).
Die lichtmikroskopische Untersuchung soll zum einen den grundsätzlichen Aufbau einer eukaryontischen Zelle verdeutlichen, den man in seiner grundlegenden Struktur an Protozoen deutlich erkennen kann. Zum anderen sollen aber auch protozoenspezifische Fähigkeiten, wie Nahrungsaufnahme und Fortbewegung, beobachtet werden.



Amoeba proteus

Amöben kommen vor allem auf faulenden Pflanzenteilen in Teichen oder Gräben vor, es gibt aber auch Formen, die im menschlichem Darm existieren.

Die beobachtete Amöbe veränderte kontinuierlich ihre Gestalt, auch die Lage der in der Zeichnung aufgeführten Zellorganellen wechselte ständig. Die Größe der Zelle muß etwa 600 µm gelegen haben.
Besonders auffällig war die große pulsierende Vakuole, die hell und durchscheinend erschien. Durch diese Vakuole reguliert die Amöbe ihren Wasserhaushalt. Aufgrund des höheren osmotischen Drucks des Cytoplasmas dringt ständig Wasser in die Zelle ein, das durch das rhythmische Pumpen der Vakuole nach Außen befördert wird. Die Pumpfrequenz ist abhängig von der Größe der Zelloberfläche und dem osmotischen Druck außerhalb der Zelle. Alle im Kurs ermittelten Frequenzen liegen in einem realistischen Bereich.

Die Tabelle zeigt die Anzahl von Amöben, deren Kontraktionsfrequenz innerhalb des jeweiligen Zeitintervalls liegt:

Intervall [min]     1     2     3    4     5     6     7     8     9    10    >10  



Anzahl Amöben       -     3     9    6     7     6     2     2     1     -     2   





Der Zellkern war lichtmikroskopisch nicht zu erkennen; gut zu sehen war jedoch eine große Nahrungsvakuole. Nahrungsvakuolen sind membranumkleidete Blasen, die von der Zelloberfläche abgeschnürte werden. Dieser Nahrungsvakuole werden Verdauungsenzyme zugeführt.
Die verdaute Nahrung wird in das Plasma aufgenommen. Die Nahrungsvakuole wandert mit den unverdaulichen Bestandteilen an die Zelloberfläche, verschmilzt mit der Zellmembran und gibt den Inhalt nach außen ab.

Die Nahrungsaufnahme bei Rhizopden wird als Endocytose bezeichnet: Die Nahrung an der Zelloberfläche wird von der Zellmembran umschlossen und die so gebildeten Vesikel werden ins Plasma aufgenommen

Man unterscheidet die Aufnahme von in Flüssigkeit gelösten Nährstoffen (Pinocytose) und die Aufnahme von Feststoffen (Phagocytose). Bei der beobachteten Endocytose handelt es sich demnach um eine Phagocytose.
Bei der Pinocytose entsteht zwischen kurzen, körnerfreien Pseudopodien ein Kanälchen, an dessen Ende eine kleine Vakuole abgeschnürt wird.
Bei der Phagocytose umfließen die Pseudopodien feste Nahrungspartikel.

Weitere Zellorganellen waren nicht zu erkennen - das Endoplasma enthielt aber eine Vielzahl von meist kleinen Einschlußkörpern.



Bewegungsprotokoll Amoeba proteus

Die Amöbe bewegte sich durch Ausstülpung von Pseudopien (Scheinfüßchen) fort, in die Cytoplasma einfließt. Teilweise bildete sie mehrere Pseudopien gleichzeitig aus, die aber in etwa gleich gerichtet waren. In den anderen Teilen der Zelle zog sich das Cytoplasma entsprechend zurück.

Ermöglicht wird dies durch folgende Vorgänge:
"Bei der Amöbe ist das Ektoplasma gelartig fest, das Endoplasma solartig flüssig. Bei der Bildung eines Pseudopodiums strömt das Endoplasma nach vorn und dann - einem Springbrunnen ähnlich - nach den Seiten. Hier geht es in den Gelzustand über. Am Hinterende dagegen wandelt sich das gelartige Ektoplasma in solartiges Endoplasma um und strömt nach vorn. Das Endoplasma fließt gleichsam in einer festen Röhre, die hinten fortlaufend abschmilzt und sich vorn wieder aufbaut."
(Aus: Scharf/Weber - Cytologie, Schroedel 1993)

Die Umwandlung des Plasmazustandes beruht auf der Interaktion von Actin- und Myosinfilamenten, bei der ATP verbraucht wird.



Paramecium caudatum

Pantoffeltierchen kommen in Süßwasser häufig vor, aber auch in Pfützen und fauligem Wasser.

Das beobachtete Paramecium war kleiner als die Amöben - Pantoffeltierchen haben eine Größe von ca. 300 µm. Auffällig war auch hier die pulsierende Vakuole, die die gleiche Funktion hat wie bei der Amöbe. Lediglich die sternförmigen Zufuhrkanäle waren im Präparat nicht zu erkennen.

Tabelle der im Kurs beobachteten Kontraktionsfrequenzen der Vakuole:

Intervall [sec]      5    10    20   30    40    50    60    120  



Anzahl Paramaecii    3     9    18    5     3     2     -     -   





Das Intervall ist bei den Paramecien deutlich kürzer als bei den Amöben.
Eine gängige Hypothese ist, daß bei den kleinen Pantoffeltierchen das Verhältnis Oberfläche / Volumen ungünstiger ist und deshalb relativ mehr Wasser in die Zelle diffundieren kann, was ein schnelleres Pulsieren der Vakuole notwendig macht.

Bei Paramecien ist das Außenplasma verdichtet, was ihnen eine feste, jedoch elastische Gestalt gibt. Die Zellmembran ist im Vergleich zur Amöbe kompliziert aufgebaut.
Wie bei der Amöbe waren auch hier die Zellkerne nicht zu erkennen. Der Großkern reguliert den Zellstoffwechsel, der Kleinkern trägt die genetische Information.

Paramecien bewegen sich durch Wimpernschläge vorwärts. Der ganze Zellkörper ist mit kurzen Plasmafäden, den Cilien (Wimpern) bedeckt. Im Präparat waren sie besonders deutlich am vorderen (spitz) und hinteren Ende (stumpf) zu erkennen. Durch das fortwährende rhythmische Schlagen der Wimpern kommt die Vorwärtsbewegung zustande - gleichzeitig rotieren die Zellen noch um die Längsachse. Die Wimpern des Mundfelds strudeln die Nahrung herbei. Sie wird durch den Zellmund in die Nahrungsvakuole aufgenommen. Diese Empfangsvakuole war im Präparat deutlich zu sehen, das Mundfeld erschien als relativ große dunkle Fläche. Der eigentliche Zellmund war nicht sichtbar.
Die gefüllten Nahrungsvakuolen wandern vom vorderen Teil der Zelle zum hinteren. Auf dem Weg wird die Nahrung enzymatisch verdaut. Unverdauliche Reste werden durch den Zellafter ausgeschieden.

Die Cilien der Paramecien sind hauptsächlich aus Mikrotubuli aufgebaut. Zwei zentrale, voneinander getrennte Tubuli, sind jeweils von neun randlichen Gruppen aus je zwei Tubuli umgeben. Bei ATP-Zufuhr werden die Mikrotubuli-Doppelringe gegeneinander verschoben - es kommt zur Beugung des Ciliums.
Die Paramecien-Cilien schlagen nicht willkürlich, sondern nach einem geordneten Muster.
Die Geißeln der Flaggellaten weisen den prinzipiell gleichen Aufbau auf, sind jedoch länger. Auch die im menschlichen Körper vorkommenden Cilien (z.B. Flimmer-epithel, Spermien) folgen dieser Struktur, nicht jedoch die Bakteriengeißeln.



Fütterungsprotokoll Paramecium caudatum

Die rot gefärbte Hefe wird von den Pantoffeltierchen sehr schnell aufgenommen - und ist dann in großen Nahrungsvakuolen im Cytoplasma zu sehen. Es war nicht genau zu erkennen, ob von diesen großen Vakuolen kleinere abgeschnürt werden, oder ob das Paramecium lediglich weitere Hefezellen in kleineren Vakuolen aufgenommen hatte. Auch die Wanderung der Nahrungsvakuolen durch die Zelle ließ sich kaum nachvollziehen.
Deutlich war jedoch nach ca. 5 min der Farbumschlag des Vakuoleninhalts von rot nach blau zu erkennen, wobei sich zuerst die kleineren Vakuolen verfärbten. Kongorot ist ein Indikator. Bei pH 7 ist es rot, bei einem pH kleiner 5 ist es blau.
Das Milieu in den Nahrungsvakuolen wurde also saurer.
Bei einem pH-Wert von 5 werden die Verdauungsenzyme aktiviert. Außerhalb der Vakuole (neutraler pH) sind sie inaktiv und somit für die Zelle ungefährlich. Der Farbumschlag ist also ein Zeichen für die beginnende Verdauung.



Fortpflanzung der Protozoen

Nicht beobachtet werden konnte die Fortpflanzung der Einzeller. Grundsätzlich geschieht dies durch einfache ungeschlechtliche Teilung. Es sind jedoch auch geschlechtliche Vorgänge möglich, wie z.B. der oben beschriebene Malariazyklus oder die Konjugation bei Pantoffeltierchen.
Bei der Konjugation legen sich zwei Paramecien längs aneinander. Ihr Großkern löst sich auf und nach Teilung des Kleinkerns werden Tochterkerne ausgetauscht. Nach der Trennung entsteht ein neuer Großkern.

Bei der einfachen Zellteilung findet keine Veränderung des genetischen Materials statt - die Spezies bleibt kontinuierlich auf einer Entwicklungsstufe. Verbesserungen können lediglich durch spontane Mutationen entstehen.
Durch geschlechtliche Vorgänge ist der Austausch von genetischem Material möglich: verbesserte Eigenschaften werden weitergegeben und die Spezies kann sich wesentlich schneller weiterentwickeln.