Reisemedizin
Parasiten 1. Vorbemerkung Parasiten sind Lebewesen, sie sind ein Bestandteil der Natur und haben als solche im Laufe der Evolution die Strategien entwickelt, wie und wo sie am Besten sich und ihre Art erhalten und vermehren können. Ihr Lebensrecht steht dem von anderen Lebewesen nicht nach. Der Begriff "Parasit" = "Danebensitzer", gleichbedeutend mit "Mitesser" oder "Schmarotzer", repräsentiert nur die Perspektive des Menschen, der sich selbst im Mittelpunkt und als die "Krone der Schöpfung" sieht. Insoweit ist die Beziehung des Menschen zu den "Parasiten" erfüllt von Vorurteilen. Für den "Parasiten" ist der Mensch (und natürlich auch Wirte anderer Gattungen) Wohnort und Schutz, Nahrungsquelle und Energiespender, so wie etwa für den Menschen die Erde. Unter diesem übergreifenden Gesichtspunkt ist die Beschäftigung mit "Parasiten" eine Wissenschaft, die der Öko-Soziologie sehr nahe kommt: Sie betrifft die Art und Weise, wie Lebewesen verschiedener Gattungen zusammenleben und welche Auswirkungen dieses Zusammenleben für den einen oder anderen Beteiligten hat. Dass dies zu weiteren Konsequenzen im Zusammenleben der Beteiligten in und mit ihrer jeweiligen Umwelt führt, versteht sich von selbst und ist nicht Gegenstand der Parasitologie. 2. Vorbemerkung Parasiten sind Lebewesen, die zunächst "nur da sind", ganz wertfrei. Ob sie die Lebensumstände Ihrer Zeit- und Wohngenossen beeinflussen, ob positiv oder negativ oder überhaupt nicht, hängt nicht nur von ihnen selbst ab und den Bedingungen, die sie vorfinden, sondern auch von den Bedingungen, denen ihre "Nachbarn" von anderer Seite ausgesetzt sind. 3. Vorbemerkung Ein von Parasiten befallenes Lebewesen kann "parasitenkrank" werden, wenn die Überlebensstrategien des Parasiten stärker sind als die Reaktionsmöglichkeiten des Wirts. Umgekehrt kann ein Parasit "menschkrank" werden, wenn die Abwehr des Wirts ihm die Lebensmöglichkeit erschwert oder entzieht. Es ist also nur eine Frage des gegenseitigen Zusammenlebens, ob und bei wem eine "Krankheit" vorliegt. 4. Vorbemerkung Die Parasitologie stellt das Zusammenleben von Mensch und "Parasit" ausschließlich aus menschlicher Sicht dar, wie dies der Medizin zusteht, deren Aufgabe es ja schließlich ist, die Krankheiten des Menschen zu beschreiben und zu behandeln, nach Möglichkeit sogar zu heilen. Sie will und muss daher ideologische, kulturelle oder auch religiöse Rücksichtnahmen bewusst außer Acht lassen. Bedeutung von Parasiten in der Humanmedizin Parasiten - Einzeller, Würmer, Gliederfüßler - haben in den letzten beiden Jahrzehnten für die Humanmedizin in unserem Kulturkreis zunehmend an Bedeutung gewonnen. Viele Menschen reisen aus beruflichen oder privaten Gründen in die sog. warmen Länder, die in höherem Maße unter Parasitenbefall zu leiden haben als etwa das nördliche und mittlere Europa. Hinzu kommen Gäste, Asylanten und Asylbewerber aus den Tropen, den Subtropen, dem Mittelmeerraum, die ebenfalls - aufgrund häufigeren Vorkommens der Parasiten per se oder aufgrund schwieriger hygienischer Verhältnisse - häufig von Parasiten befallen sind. Ein neues Problem beim Parasitenbefall ist durch die steigende Verbreitung immunsupprimierender Faktoren (z. B. ärztlich veranlasste Immunsuppression nach Transplantation, zunehmende Lebenserwartung, HIV-Infektion) aufgetreten. Infolge von Immunschwäche können latente Infektionen mit sog. opportunistischen Parasiten exacerbieren und zu akuten Erkrankungen führen. Durch den Fortschritt der pharmazeutischen Forschung sind heute fast alle Arten von Parasiten bei guter Verträglichkeit der Wirkstoffe relativ zuverlässig zu beseitigen - zumindest zeitweise. Häufig lässt die Evolution die Parasiten neue Überlebens-Strategien entwickeln. Diese Entwicklung seitens der Parasiten, die sie als Art auch über "Notzeiten" hinüberrettet, nennt man "Resistenz-Entwicklung". Daher sollte man nicht vergessen: In der weltweiten Statistik der Todesursachen stehen Parasiten an erster Stelle! Nachweismethoden / Diagnostik: Fast alle für den Menschen bedeutsamen Parasiten lassen sich mikroskopisch nachweisen. Einige Arten leben in ihrem Wirt streng intrazellulär oder in Geweben. Manche sind praktisch nur indirekt, d. h. nur durch die immunologischen Abwehrtechniken des Wirts mittels Antikörpern erkennbar, was zuverlässige serologische Methoden erfordert. Die mikroskopische Untersuchung auf Parasiten erstreckt sich vorwiegend auf Stuhl- und Urinproben, des weiteren auf Sputum, Blut und Blut-Ausstriche, in seltenen Fällen auch auf andere Körperbestandteile des Wirts (z. B. Hautabstriche, Gewebeproben etc.). In Stuhl, Urin und Sputum können vegetative Formen (Trophozoiten) und Dauerformen von Einzellern (Zysten) sowie von Würmern (Eier, Larven) gefunden werden. Im peripheren Blut wird nach Malariaerregern, Trypanosomen oder Mikrofilarien gefahndet. In wenigen Fällen lassen sich die Erreger nur durch die Entnahme einer Gewebeprobe (z. B. bei Trichinose) entdecken. Die Untersuchung erfordert viel Geduld und Sorgfalt (mindestens 10 min pro Präparat, bei Verdacht auf Leischmanien auch wesentlich länger!), weil die Parasitendichte oft sehr gering ist. Ein negativer Befund bei einmaliger Untersuchung bedeutet noch nicht die Abwesenheit von Parasiten, und die Anwesenheit von Parasiten bedeutet noch nicht, dass andere Spezies nicht vorhanden seien. Deshalb müssen mikroskopische Untersuchungen im allgemeinen ein- bis zweimal wiederholt und nach Möglichkeit mit einem Anreicherungsverfahren verbunden werden. Viele Parasiten sind in ihrem Lebens- und Entwicklungszyklus auf verschiedene Wirte angewiesen, nur in diesen können sie das betreffende Lebensstadium durchlaufen oder sich vermehren. Dieser Wirtswechsel - obligat oder fakultativ - hat entwicklungsgeschichtlich Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen auf der Hand (Multiplikator-Effekt durch Verbreitung aus einer Population heraus und Übergang auf andere Polulationen - vergleichbar mit "Entdeckungsreisen") und sind offensichtlich von den Nachteilen (Abhängigkeit von der Übertragung auf den 2. Wirt) nicht gemindert worden. Dies vor allem deshalb, weil beide Wirte durch Verknüpfungen in der Nahrungskette häufig enge Kontakte haben. Daneben gibt es Parasiten, die nicht von bestimmten Wirten abhängig sind, sondern in der Wahl ihres Wirts größere Möglichkeiten aufweisen. Hier ist stehts damit zu rechnen, dass zoonotische Parasiten (welche ein Tier als Wirt benutzen) humanpathogen werden, also auf den Menschen übergehen. Nicht alle Parasiten, die beim Menschen gefunden werden, sind pathogen, also krankmachend. Dies gilt allerdings nur unter normalen Umständen, d. h. wenn keine anderen gravierenden Ursachen vorliegen, die die Widerstandskraft des Menschen gegenüber dem Parasiten zusätzlich stark beeinträchtigen. Denn: letzlich gewinnt immer die Natur.
Der Befall mit Parasiten ist in der Natur etwas ganz Normales und ist unter bestimmten Umständen unvermeidbar. Es ist daher für niemanden ehrenrührig, von Parasiten als "Wohnort" ausgewählt worden zu sein und es ist für den Patienten keinesfalls diskriminierend, wenn der Arzt einen Parasitenbefall feststellt. Dagegen ist es u. U. sehr wohl für die Umgebung eine Gefährdung und auch eine Belästigung, daher zu Recht anstoßerregend, wenn die Behandlung eines Parasitenbefalls aus Gründen, die die normale zwischenmenschliche Rücksichtnahme auf die Mitmenschen vernachlässigen, nicht durchgeführt wird und/oder Maßnahmen, die einen Parasitenbefall verhindern könnten, außer Acht gelassen werden. Literatur "Mikrobiologische Diagnostik", herausgegeben von F. Burkhardt Thieme-Verlag Stuttgart - New York "Zecken, Milben, Fliegen, Schaben", herausgegeben von B. & H. Mehlhorn Springer Verlag Heidelberg |
Dr. B. Ziegler - Facharzt für Laboratoriumsmedizin - Transfusionsmedizin – Umweltmedizin |