Biologiepraktikum, Kurs B

Holger Diegel, Platz 18
16.01.1997

Niedere Metazoa


Einleitung

Die Differenzierung und Spezialisierung von Zellen bei Metazoen stellt einen wesentlichen Schritt in der Evolution dar. Es ist nun möglich, größere und effektivere Organismen zu bilden, da nicht mehr eine einzelne Zelle alle Funktionen übernehmen muß.

Deutlich wird die Differenzierung vor allem bei der Unterscheidung von somatischen Zellen mit diploiden Chromosomensatz und haploiden Geschlechtszellen. Dennoch Vermehren sich niedere Metazoen bei guten Lebensbedingungen vor allem asexuell durch Teilung, wie man später an der Knospung bei Hydra gut erkennen kann. Dies ermöglicht ihnen eine hohe Zahl an Nachkommen und damit eine hohe Verbreitung. Erst bei schlechten Umweltbedingungen kommt es zur geschlechtlichen Fortpflanzung, bei der oftmals resistentere Dauerstadien ausgebildet werden, wie z.B. die Wintereier bei Mesostoma.

Metazoen sind aus geordneten Gewebeschichten aufgebaut, die jeweils verschiedene Zelltypen hervorbringen.



1.) Coelenterata (Cnidaria)

Coelenterata (Hohltiere) stellen nach den Schwämmen die einfachsten Metazoen dar. Sie entwickeln sich diploblastisch aus zwei Keimblättern, dem Ektoderm und dem Entoderm. Zwischen diesen beiden Keimblättern bildet sich eine zellfreie Substanz aus, das Mesogloea. Die Strukturproteine des Mesogloea finden sich auch in allen höheren Organismen und sind ein Zeichen für einen gemeinsamen Ursprung in der Evolution.

Sehr früh differenziern sich bei den Coelenteraten ektodermale Epithelmuskelzellen aus dem Ektoderm und entodermale Epithelmuskelzellen aus dem Entoderm.
Das Entoderm bildet weiterhin interstitielle Zellen aus. Diese Stammzellen sind noch nicht völlig differenziert und bleiben das ganze Leben des Organismus über teilungsfähig. Aus ihnen werden je nach Bedarf Nesselzellen, Nervenzellen oder Drüsenzellen gebildet.

Es gibt mehrere Arten von Coelenterata - vom millimetergroßen Polypen bis zur metergroßen Qualle.
Viele Hohltiere treten sowohl als Medusa als auch als Polyp auf. Quallen geben Ei- und Samenzellen ins Wasser ab. Werden die Eier befruchtet, entstehen daraus Polypen, die sich am Boden festsetzen. Durch Knospung entstehen weitere Polypen, aber auch frei bewegliche Medusen.
Der im Praktikum untersuchte Süßwasserpolyp Hydra existiert jedoch nur als Polyp.


Praktikumsversuch: Hydra

Eine einzelne lebende Hydra wurde mit der Stereolupe untersucht:

Die Hydra war im ausgestreckten Zustand ca. 1 cm lang und besaß am Kopfteil sechs Tentakel. Die Länge eines Tentakels entsprach in etwa der Größe des Gastralraums.
Der Körper der Hydra war deutlich sichtbar aus zwei Schichten aufgebaut. Die äußere Schicht, das Ektoderm erschien hell und durchscheinend, die innere Schicht, das Entoderm war dunkler. Hydra besitzt keine differenzierten Organe.
Die Hydra saß mit der Fußscheibe auf der Glasplatte auf, die Haftung wird dabei durch ein klebriges Sekret ermöglicht, das die Hydra absondert.
An der Seite des Gastralraums hatte sich ein zweiter Polyp ausgebildet (asexuelle Vermehrung). Dieser hatte ebenfalls sechs Tentakel und war schon recht weit entwickelt, wahrscheinlich kurz vor der Abschnürung. Sogar Körperfragmente aus wenigen Zellen sind in der Lage, sich wieder zu einem kompletten Polypen zu regenerieren.
In den Tentakeln war eine körnige Struktur zu erkennen, wobei jeder Punkt einer Batterie von ca. 20 bis 30 Nesselzellen entspricht.

Hydra kann ihren Körper und die Tentakel bewegen und sich bei Gefahr zusammenziehen, also verkleinern.
Die eigentlichen "Muskelzellen" sitzen im Entoderm - von ihnen gehen Fortsätze aus und durchziehen den gesamten Körper der Hydra. Die ektodermal verlaufenden "Muskelfortsätze" sind entlang der Längsachse ausgerichtet und ziehen bei Kontraktion den Körper zusammen, wodurch dieser dicker wird. Auch die Seitwärtsbewegung der Tentakel wird dadurch ermöglicht. Die entodermalen "Muskelfasern" verlaufen ringförmig, wodurch sich die Hydra bei Kontraktion wieder ausstreckt.
Wenn sich die Nahrungssituation in dem von der Hydra besetzten Gebiet verschlechtert, kann sich diese einen anderen Standort suchen. Dazu hebt die Hydra die Bodenplatte an und bewegt sich, bildhaft gesprochen, radschlagend vorwärts.


Praktikumsversuch: Fütterung der Hydra

Zur oben beschrieben Hydra werden etwa 100 Artemienlarven pipettiert:

Berührt eine der Krebslarven Tentakel oder Körper der Hydra, werden sie von den Nesselzellen sofort gelähmt oder tot. Die Nesselzellen werden im Gastralteil der Hydra gebildet und wandern von dort in die Tentakel, wo sie in hoher Dichte sitzen.
Die Artemien werden von den Tentakeln anschließend in Richtung Mundöffnung geführt, die sich sehr weit öffnen kann.
Für die Koordination dieses Vorgangs ist ein Nervensystem notwendig. Bei Hydra besteht dieses System aus einem diffusen Netz von Ganglienzellen. Besonders im Mundbereich treten die Ganglienzellen konzentriert auf, ebenso wie sensorische Zellen, die mit berührungsempfindlichen Cilien besetzt sind.
Durch die Mundöffnung, die aus ca. 5 dehnbaren Zellen besteht, gelangen die Artemien schließlich in den Gastralraum, der sich ebenfalls sehr stark dehnen kann.

Im beobachteten Zeitraum von ca. 10 Minuten nahm die Hydra etwa 7 Krebslarven auf, und der knospende Polyp noch einmal etwa 4. Der Gastralraum des knospenden Polypen war nicht mit dem des "Muttertiers" verbunden.

Das Entoderm auf der Innenseite des Gastralraums enthält Drüsenzellen, die die für die Verdauung notwendigen Enzyme ausschütten. Auch die Nährstoffaufnahme erfolgt durch Zellen im Entoderm.
Nach erfolgter Verdauung scheidet Hydra die unverdaulichen Reste durch die Mundöffnung wieder aus.

Die Nesselzellen der Hydra erwiesen sich als sehr wirkungsvoll. Bei Versuchsende waren alle zugegebenen Artemien tot oder gelähmt.
Nesselzellen kommen in der Natur nur bei Coloenterata vor; die Giftstoffe können auch für den Menschen sehr schnell lebensgefährlich werden.



2.) Plathelminthes (Plattwürmer)

Plattwürmer sind höher organisierte Lebewesen als die Coloenteraten. Sichtbar wird dies allein schon an den Körperachsen. Die Hohltiere sind radial symmetrisch, die Würmer bilateral symmetrisch. Die Körperachsen verlaufen bei ihnen anterior/posterior und dorsal/ventral. Plathalminten entwickeln sich aus drei Keimblättern: Ektoderm, Entoderm und Mesoderm. Aus dem Mesoderm entwickelt sich die Muskulatur, die beiden anderen Keimblätter haben die gleiche Funktion wie oben beschrieben.

Klassen von Plathelmintes:



Praktikumsversuch: Mesostoma

Ein lebender, frei beweglicher Strudelwurm wird unter der Stereolupe untersucht:

Der Strudelwurm bewegt sich mit Hilfe eines Wimpernepithels vorwärts. Im vorderen Teil des Wurms sind Sinneszellen als graue Schattierung zu erkennen. Stößt er gegen ein Hindernis, zieht der Wurm seine Spitze zurück und orientiert sich in eine andere Richtung. Die Krümmungen des Wurms setzen Muskelzellen voraus
Im vorderen Teil des Wurmes ist auch das paarige Cerebralganglion des Wurms zu erkennen, von dem aus der ganze Körper durch Nervenbahnen innerviert wird. Direkt auf diesem Gehirn sitzen die lichtempfindlichen Pigmentbecherozellen; Mesostoma ist also zu einer viel differenzierteren Wahrnehmung und Informationsverarbeitung fähig als Hydra.

Ein weiteres deutliches Zeichen für die Höherentwicklung ist die Existenz eines Darms. Bei Mesostoma bildet das Entoderm ein eigenes abgeschlossenes Organ aus; die Nahrung wird nicht mehr im gesamten Körper verdaut.
Allerdings fehlt Mesostoma ein Blutgefäßsystem, wie es bei noch höher entwickelten Lebewesen vorhanden ist. Sauerstoff und Nährstoffe werden über ein diffuses System im Körper des Wurms verteilt.

Bei Mesostoma ist auch die Fortpflanzung komplizierter organisiert als bei Hydra: Der Wurm besitzt Geschlechtsorgane, und zwar sowohl Hoden als auch Dotterstöcke - es handelt sich um einen Zwitter.
Dies eröffnet Mesostoma die Möglichkeit einer quasi asexuellen Fortpflanzung, indem er die eigenen Eier befruchtet. Im Körperinneren des Strudelwurms werden so Dauereier ausgebildet.
Die Ausscheidung der Eier erfolgt über den Genitalporus an der Körperunterseite. Diese Körperöffnung dient Mesostoma auch zur Paarung.


Praktikumsversuch: Fütterung von Mesostoma

Zum oben beschrieben Strudelwurm werden etwa 100 Artemienlarven pipettiert:

Sofort nach Zugabe der Artemien orientiert sich der Wurm in Richtung der Krebse. Er bewegt sich wesentlich schneller als zuvor und sondert Schleim ab, der die Larven fixiert. Im Gegensatz zur Hydra jagt er aktiv nach Nahrung.
Der Wurm versucht nun, sich die Beute in seinen auf der Körperunterseite gelegenen Pharynx zu stopfen. Dazu rollt er die Artemien ein und dirigiert die einzelnen Larven mit seiner Körperspitze in Richtung Mundöffnung. Nach weniger als zwei Minuten sind die ersten Artemien im Darm des Strudelwurms zu erkennen.
Auch die Mesostoma besitzen keinen After - die unverdaulichen Nahrungsreste werden durch den Pharynx wieder ausgeschieden.