Das Zoologisch-Morphologische Anfängerpraktikum an der Uni Karlsruhe


Kurstag 3

- Cnidaria (Nesseltiere) -



1 Wie kam es zur Entstehung von Mehrzellern? Welches sind die beiden Kriterien für Metazoa?

Es existieren 2 gängige Theorien für die Entstehung von Mehrzellern: Gastraea-Hypothese u. Placula-Hypothese.


Gastraea-Hypothese (Haeckel, 1874)

gastrulaähnliches Ausgangsstadium ~ Einfaltung des Gastralraumes (Urdarm) ~ Blastoporus (Urmund) ~ Festheften ~ Coelenteraten ~ Coelom durch seitliche Ausstülpungen des Gastralraumes entstanden.

Placula-Hypothese (Bütschli, 1884)

zweischichtige Lebensform ~ ventrale Schicht wird durch häufigen Kontakt (Kriechen) mit Nahrung zum Enddarm ~ zwischen den Schichten entsteht eine flüssigkeitsgefüllte Körperhöhle (hervorgerufen durch kriechende Bewegung) ~ zeitweilige Aufwölbung des Organismus ~ temporäre Gastrula.

Kriterien für Metazoa:
1.) Trennung in somatische und generative Zellen
2.) Differenzierung der somatischen Zellen in unterschiedliche Typen und Bildung von Geweben


2 Wodurch sind die Cnidaria charakterisiert?

1.) Aufbau aus 2 Epithelien
~   Ektoderm (Epidermis)
~   Entoderm (Gastrodermis)

2.) 2 Habitusformen (Polymorphismus)
~   Polyp
~   Meduse

3.) Besitz von Nesselzellen (=Cnidocyten, Nematocyten)


3 Wie heißen die Larven der Cnidaria?

Ephyra
~   bei allen Formen mit Medusen vorhanden

Planula
~   Name der sich zum Polypen entwickelnden Aurelia auriata (Scyphozoa)

Actinula
~   Name der sich zum Polypen entwickelnden Cladonema radiatum (Hydrozoa)


4 Zeichnen u. beschriften Sie einen typischen Polypen.

Zeichnung


5 Zeichnen u. beschriften Sie eine typische Meduse.

Zeichnung


6 Wie sieht das Nervensystem eines Polypen / einer Meduse aus?

Nervennetz.
Nervenzellen sind gleichmäßig über den Körper verteilt und durch Fortsätze miteinander verbunden.


7 Wie bewegen sich Polypen?

Mit ektodermalen Epithelmuskelzellen und den Nesselzellen (Glutinanten).

~ "Salto"
Lösen der Fußscheibe vom Untergrund ~ Biegen des Scapus ~ Festheften der Tentakeln durch Glutinante ~ Biegen des Scapus ~ Anheften der Fußscheibe
~ "Schweben"
Lösen der Fußscheibe vom Untergrund ~ Schweben zur Oberfläche ~ 'Festheften' der Fußscheibe an der Unterseite der Wasseroberfläche.

8 Wie bewegen sich Medusen?

Durch die im Ektoderm der Subumbrella vorkommenden Epithelmuskelzellen. Diese sind flächig abgeplattet und enthalten Bündel quergestreifter Myofibrillen ~ rythmische Schwimmbewegungen der Glocke


9 Was ist die Hydrotheka?

Becherartige Verlängerung des Hydrocaulus (Stiel) bei Polypen.
Die Tentakeln können sich darin bei Gefahr zurückziehen.
Das Gegenstück zu ihr ist die Gonotheka, in der sich die Gonophoren des Polypen befinden.


10 Erklären Sie folgende Begriffe:
a) interstitielle Zellen
b) Cnidoblasten
c) Cnidocyten
d) Cnidien
e) Cnidocil.
a) interstitielle Zellen
Embryonale Zellen, die noch nicht differenziert sind. Aus ihnen können alle im Polypen vorhandenen Zelltypen differenziert werden.

b) Cnidoblasten
Mutterzellen der Cnidocyten

c) Cnidocyten
(=Nematocyten)
Nesselzellen. Sie enthalten verschiedene Cnidien.

d) Cnidien
(=Nematocysten)
Nesselkapseln.
Man unterscheidet folgende Typen:
~   Haftkapseln (=Spirocysten = Glutinanten)
~   Wickelkapseln (=Desmonemen = Volventen)
~   Durchschlagskapseln (=Stenotelen = Penetranten)


e) Cnidocil
sensorischer Apparat.
Er besteht aus einer starren Cilie und Stereocilien, die rings um die Cilie angeordnet sind.


11 Aus welchen Zelltypen besteht das Endoderm?

Nährmuskelzellen
~   Verdauung der aufgenommenen Nahrung
~   eingelagerte kontraktile Fibrillen bilden einen Ringmuskelschlauch
Drüsenzellen
~   geben zur Verdauung enzymhaltige Sekrete ab
~   geben schleimiges Sekret zum Schutz vor verdauenden Enzymen ab


12 Aus welchen Zelltypen besteht das Ektoderm?

Epithelmuskelzellen
~ bifunktionell:
a) Außenbegrenzung
b) Kontraktion durch Myofibrillen
Nervenzellen
~   innerviert Muskelzelle
~   liegt an der Basis der Nematocyten und Epithelmuskelzellen
Sinneszellen
~   dienen als Chemo- und Mechanorezeptoren
~   besitzen Kinocilium als Fortsatz
~   stehen an ihrer Basis mit den Nervenzellen in Verbindung
Interstitielle Zellen
~   undifferenzierte Zellen (Stammzellen)
~   Generierung von allen Zellen
Nematocyten
~   bilden: Nematocysten (Glutinanten, Volventen, Penetranten)


13 Beschreiben Sie den Aufbau und die Wirkungsweise von
a) Stenotelen
b) Desmonemen
c) Spirocysten.


Hierzu siehe: Wehner, R. u. Gehring, W.: Zoologie. Stuttgart 1995. S. 640

a) Stenotelen
= Durchschlagskapseln
= Penetranten
Aufgrund der Reizung von Chemorezeptoren explodiert die Kapsel.

Explosion:
Deckel springt auf
~ Schlauch stülpt sich nach außen um
~ Stilette spreizen sich und reißen in die Cuticula des Beutetieres ein Loch
~ Rest des Schlauches dringt ein und entleert sein Gift

Stenotelen sind in ihrem Nematocystenhohlkörper versenkt. Der Nesselfaden ist im "Ruhestadium" um den Stilettapparat gewickelt.

b) Desmonemen
= Wickelkapseln
= Volventen
Es sind die kleinsten Nematocysten. Analog zu den Stenotelen explodieren sie bei Reizung, jedoch wickeln sich ihre Fäden um Haare und Borsten der Beutetiere.

c) Spirocysten
= Haftkapseln
= Glutinanten
Analog zu den Desmonemen wird ein Schlauch nach Reizung ausgeschleudert. Dieser heftet sich an Borsten und Haare der Beutetiere.


14 Vergleich von Hydrozoa, Scyphozoa und Anthozoa.

Gruppe Habitus Gastralraum der Polypen Medusen-Gonaden Velum Mesogloea
Hydrozoa Polyp oder Polyp+Meduse
Medusen durch laterale Knospung
nicht geteilt ektodermal
+
zellenlos
Scyphozoa Polyp+Meduse
Meduse durch terminale Knospung (Strobilation)
4 Septen entodermal
-
zellig
Anthozoa Polyp >4 Septen
6: Hexacorallia
8: Octacorallia
(Polyp: entodermal)



15 Wie erfolgt die geschlechtliche Fortpflanzung bei
a) Arten mit Medusen
b) Arten ohne Medusen?


a) Cnidaria mit Medusenform
Entwicklung zur geschlechtsreifen Meduse
  ~   Ei   ~   Befruchtung   ~   Zygote   ~   Planula-Larve   ~   wird sessil   ~   Entwicklung zum Polyp

b) Cnidaria ohne Medusenform
protandrisch
~   lokale Anhäufung interstitieller Zellen   ~   Entwicklung zu Oogonien oder Spermatogonien   ~   Hoden befinden sich am oberen Teil der Magenregion   ~   Ovarien befinden sich am unteren Teil der Magenregion   ~   Befruchtung des Eies erfolgt am Körper   ~   kräftige Eischale entsteht (Embryothek)   ~   Ei lößt sich vom Körper ab   ~   Entwicklung zum Polyp


16 Definieren Sie Polymorphismus.

versch. Habitusformen einer Art.
z.B.: bei Cnidaria (Aurelia auriata) ~   Polyp u. Meduse.


17 Definieren Sie Metagenese.

Generationswechsel mit regelmäßiger Abfolge sexueller und asexueller Fortpflanzung.


18 Beschreiben Sie jeweils kurz die Vorgänge bei der Knospung


Knospung
Zwischen Stiel und Rumpf des Polypen teilen sich vermehrt Epithelzellen, die mit Hilfe von interstitiellen Zellen zuerst ein neues Hypostom und später den restlichen Polypen bilden. Nach der Ausbildung der Fußscheibe löst sich der neue Polyp vom 'Mutterpolypen'.


19 Skizzieren Sie eine Ephyra-Larve.

Zeichnung


20 Skizzieren Sie Cladonema radiatum.

Zeichnung


21 Was versteht man unter einem Gastrovaskularsystem?

Hohlraumsystem des Körpers, das bei Coelenteraten und Plathelminthen die Funktion von Verdauungs- und Kreislaufsystem übernimmt und mit der Außenwelt nur über eine einzige Öffnung in Verbindung steht.

(aus: Wehner, R. u. Gehring, W: Zoologie. Stuttgart u. New York 1995. 23. Auflage. S. 801)




R.H.S.



Letzte Änderung: 23-10-97

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